Home
Kriegsgefangenenpost
Veröffentlichung
Auszüge aus "Letzte Post
Bruhn
Wilutzky
Telegramme
Kontakt und Links
   
 



Die Verbindung mit der Heimat, vor allem mit seinen Angehörigen, ist für einen Kriegsgefangenen besonders wichtig. Bedingt durch seine Kriegsgefangenschaft, befindet er sich in einer besonderen Situation. Sein seelisches Gleichgewicht hängt in hohem Maße von der Möglichkeit ab, Nachrichten von seiner Familie und nahestehenden Personen zu erhalten und auch selbst solche zu geben. Daher war der Postverkehr und insbesondere der gegenseitige Austausch von Nachrichten von großer Bedeutung.

Gemäß Art. 8 der Genfer Konvention waren die Verpflichtungen der Gewahrsamsstaaten bezüglich des Postverkehrs festgelegt. Demnach waren die Kriegsgefangenen "sobald als möglich" in den Stand zu setzen, "mit seiner Familie ... in Briefverkehr zu treten". Die Amerikaner und Engländer haben sich im wesentlichen an diese Vorschriften gehalten. Trotzdem kam es vor, daß, bedingt durch den Kriegsverlauf, der Austausch von Nachrichten über einen längeren Zeitraum nicht zustande kam. Dies galt insbesondere für die Zeit zum Ende des Krieges und nach der Kapitulation. Durch den militärischen Zusammenbruch Deutschlands im Frühjahr 1945 wurden die Postverbindungen innerhalb Deutschlands sowie zwischen Deutschland und dem Ausland unterbrochen. Die Wiederaufnahme des Postverkehrs zwischen den Kriegsgefangenen und den Angehörigen in Deutschland erfolgte im Herbst 1945.

In diesen Zeitraum fällt die Post des Kriegsgefangenen Herbert Bruhn, der sich in englischem Gewahrsam befand. Es wird die komplette erhalten gebliebene Korrespondenz vorgestellt, um die Entwicklung bis zur letzten Post verständlich zu machen.



Herbert Bruhn, Jahrgang 1916, Unteroffizier bei der Infanterie, kam am 9.10.1944 bei einem Angriffsunternehmen in amerikanischen Gewahrsam. Seine Gefangenennummer lautet B 304732. In seinem ersten Kriegsgefangenenbrief vom 11.11.1944 aus dem P.O.W. Camp No. 17 in England beschreibt er unter anderem den bisherigen Verlauf seiner Zeit in Kriegsgefangenschaft:

--- Wir waren eine kurze Zeit in Frankreich und sind dann später nach England verschifft. Ihr braucht Euch um mich keine Sorgen zu machen, ich bin wohlauf, und zu hungern brauche ich auch nicht. Wir sind nun dauernd durch Durchgangslager gewandert, immer nur für kurze Zeit Aufenthalt, ich hoffe aber, daß wir bald in einem Lager kommen, wo wir für vorläufige Zeit bleiben. Zigaretten u. Schokolade haben wir auch schon erhalten, man tut was man kann für uns. Tut mir bitte den einen Gefallen und schreibt meiner Christine sofort, damit das Mädel Bescheid bekommt. Meine rote Karte werdet Ihr wohl erhalten haben! Habt Ihr von der Komp. Nachricht erhalten? Ich hoffe daß es Euch gut geht und das vor allen Dingen der Krieg recht bald zu Ende ist. Ich habe einen sehr guten Kameraden (Hamburger). Schreibt mir bitte recht bald wieder wie es geht und steht. ---

Die Angehörigen in Hamburg erhielten den Brief am 26.01.1945. In der Zwischenzeit ist Bruhn in ein ständiges Lager eingewiesen worden. Im Verlauf des Januars 1945 schreibt er aus dem neuen Camp No. 178 drei Karten nach Hamburg .

Karte vom 17.01.1945

---- Heute ist der erste Sonntag nach all den Feiertagen. Ich hoffe Ihr seit gesund und munter in das neue Jahr hineingekommen! Ferner hoffe und wünsche ich, daß uns dieses neu angebrochene Jahr im Laufe seiner Zeit wieder zusammen bringt! Wir haben im Lager genügend Unterhaltung, nur Lesematerial fehlt. ---

Karte vom 21.01.1945

--- Für heute wieder meine herzlichsten Grüße an Euch! Mir geht es gut, ich hoffe dasselbe auch von Euch! Wir sind hier nun mit Kursen u. Lehrgängen angefangen, an denen ich mich beteilige, damit die Stunden der Gefangenschaft ausgenutzt sind. Ich habe noch keine Post von Euch, hoffe aber Ende Februar ---

Karte vom 30.01.1945

--- Für heute wieder einen herzlichen Gruß! Ich hoffe es geht Euch gut, daß wäre meine einzigste Sorge z. Zt.! Ich kann soweit nicht klagen, nur die Post fehlt uns allen sehr. Ich hoffe zum März mit einer Nachricht von Euch! Wie es auch immer kommen mag wir wollen tapfer durchhalten! ---

Alle drei Karten werden von den Angehörigen ein Jahr später im Jahr 1946 in Hamburg in Empfang genommen. Da Herbert Bruhn keine Antwort erhält, schreibt er im Februar keine weiteren Karten. Anfang März versendet er eine weitere Karte nach Hamburg.

Karte vom 01.03.1945

--- Heute nur einen kurzen Gruß. Es geht nun dem Frühling zu und somit auch einer neuen Hoffnung entgegen. Wenn nur die erste Post da wäre, dann wäre alles viel leichter zu ertragen, sonst geht es mir wesentlich gut, ich hoffe nur das es Euch gut geht! ---

Am 20.03.1945 verfaßt Bruhn einen Brief in dem er seinen Angehörigen seine Gedanken mitteilt. Es ist der letzte Brief von ihm.




Brief vom 20.03.1945 mit Eingangsvermerk "30.1.1946"

--- Heute nun will ich, während ich Eurer herzlich gedenke, an Euch meine Gedanken mitteilen. Immer noch keine Post von Euch, wie auch von Christine, angekommen, man hofft von einer Woche zur anderen, es muß doch einmal der Tag kommen, an dem die erste Post eintrifft und tröstet sich mit den anderen Kameraden, die das gleiche Los tragen wie ich. Es geht nun mit Macht dem Frühling entgegen. Wir haben wunderbares Wetter schon. Es ist, wenn man sich auch mit allerhand Dingen beschäftigt, die Gefangenschaft eine harte Probe die von dem einzelnen Mann gefordert wird. Die Gedanken sind immer bei Euch Lieben in der Heimat, wie um Gotteswillen es Euch wohl ergeht und wie der Krieg dem Ende entgegen geht?

Wir können hier nichts anderes als wünschen und hoffen für unsere, ach, so geliebte Heimat. Mitunter weint das Herz, daß man nun schon solange in der Gefangenschaft sitzt und nicht weiß wie es zu Hause geht und steht. Ihr Lieben, bleibt gesund und munter bis auf den ersehnten Tag unseres Wiedersehens.---

Dem Brief ist eindrucksvoll zu entnehmen, wie sehr Bruhn die Verbindung bzw. der wechselseitige Austausch von Nachrichten mit seinen Angehörigen fehlt. Er spricht seine Besorgnis über die ihm unbekannten Verhältnisse in der Heimat aus und deutet an, wie sehr ihn das belastet.
Wieder wird Bruhn in ein anderes Lager verlegt. Aus dem P.O.W. Camp No. 28 schreibt er seine letzte Karte vom 30.05.1945 an seine Familie in Hamburg.Karte vom 30.05.1945.




Karte vom 30.05.1945. Auf dem Brief ist der Eingangsvermerk der Familie eingetragen. Da die Post mit dem Stempel "Verzögerte Post...." erst 1946 in Deutschland von der britischen Zensur bearbeitet wurde, konnte die Zustellung nur am 15.10.1946 oder später erfolgt sein.

--- Für heute wieder einen herzlichen Gruß! Mir geht es soweit sehr gut, nur die Sehnsucht zu Euch frißt mich auf. Ich hoffe, es wird sich nur noch um einige Monate handeln schätze ich, dann wird wohl bald die Zeit der Entlassung kommen. An Chr. habe ich noch nicht wieder geschrieben, ich denke sie wird Unannehmlichkeiten bekommen. ---

Die letzte Post aus dem Lagern No.178 und No.28 wird erst Januar und Oktober 1946 den Angehörigen zugestellt.

Noch bevor die erste Post Bruhns vom Januar 1945 aus England bei den Eltern eintrifft, erhalten die Angehörigen die Kopie eines Telegramms vom IKRK in Genf zugestellt.


Telegramm vom 01.10.1945 des Prisoner of War Informationsbüro aus London an das IKRK in Genf (Text ins Deutsche übersetzt). Auf der Rückseite des Telegramms befindet sich der Stempel des IKRK aus Genf.

Text des Telegramms

ELT = ICR GENEVE =

Kennummer B 304732 Uffz. Bruhn Herbert 12 I Div/Pi Btl 12/3 PI KP/101/8/JR 47 Verstorben 16. 10. wegen Selbstmord durch Erhängen. Stiefvater Fritz Münchow, Hamburg 39 Knickweg 8, Prisoner of War Informationsbüro.

Am 27.11.1945 erhalten die Angehörigen einen Brief vom deutschen Lagerführer aus dem Lager No. 28 zugestellt. In dem Brief teilt der Lagerführer folgendes mit:

28.10.1945

Werte Familie Münchow!

Mit diesen Zeilen erfülle ich die traurige Pflicht, Ihnen mitzuteilen, daß Ihr Sohn am 16.9.1945 in unserem Lager verstorben ist. Hierbei möchte ich nicht versäumen, Ihnen im Namen des P.O.W. Camp 28 mein tiefes Beileid auszusprechen. Ihr Sohn Herbert erfreute sich allgemeiner Beliebtheit, insbesondere durch sein eifriges Mitwirken in der Theatergruppe. Sein frühzeitiger Tod war auch für uns ein bedauerlicher Verlust. Seine sterbliche Hülle wurde in feierlicher und sehr anständiger Form beigesetzt.
Eine Abordnung der Kameraden, darunter auch ich, war zugegen.
Wertsachen hatte Herbert nicht in Besitz.
Sollten Sie den Wunsch haben, von mir nähere Einzelheiten zu erfahren, so bin ich später, wenn ich daheim bin, gern bereit, mit Ihnen in Schriftwechsel zu treten.

Meine Adresse lautet: Josef Reininger, Wiesbaden, Schulgasse Nr. 5

Mit herzlichen Grüssen verbleibt

Josef Reiniger, Lagerführer.

Die Familie Münchow schreibt sogleich am 04. und 08.12.1945 zwei Karten an den Lagerführer und fragt nach, ob es sich um eine Verwechslung bei dem Verstorbenen handelt. Der Lagerführer antwortet mit Schreiben vom 25.12.1945


Den Brief erhält Familie Münchow am 14.01.1946. Mit den Ausführungen des Lagersprechers geben sich die Angehörigen nicht zufrieden. In einer Karte vom 23.01.1946 bitten sie den Lagersprecher um ergänzende Angaben zum Tod ihres Sohnes. Herr Reininger antwortet am 17.02.1946 darauf mit einem ausführlichen Schreiben.




Schreiben vom 17.02.1946 (auszugsweise), siehe insbesondere ab Zeile 5 von oben. Der vollständige Text ist nachfolgend beigefügt. Der Brief ist der letzte Brief aus England.

Sehr geehrte Frau Münchow.

In Beantwortung Ihrer Karte vom 23.1.46 teile ich Ihnen ergänzend noch folgendes mit: Soviel mir bekannt ist, hat unser Kamerad Herbert Bruhn bis zu seinem Todestag vergeblich auf Post von seinen Eltern und seiner Braut Frl. Christine Ebsen in Ribe-Landevej 25, Haderslev, Danmark, von welcher Ihnen Herbert sicherlich früher schon geschrieben hat, gewartet. Als am 15.9.45 die meisten Kameraden des Lagers die auf Grund der Suchaktion gestattete Suchkarte an ihre Angehörigen schrieben, lehnte es Herbert trotz mehrmaligem Zureden ab, eine Suchkarte an seine Eltern zu schreiben. Meines Erachtens war Herbert schon seinerzeit seelisch zermürbt und schwermütig, was ihn sicherlich zum Selbstmord trieb! Die ersten Karten von seinen Eltern langten Ende Dezember 1945 ein und zwar vom 4. u. 8.12.45, der erste Brief von seiner Braut vom 12.12.45 anfangs Januar 1946. Wie mir die Kameraden unserer Theatergruppe, bei welcher Herbert eifrig mitwirkte, mitteilten, war Herbert in letzter Zeit eigenartig und still, am liebsten alleine. Seit Herbert hier im Lager ist, war er niemals krank gewesen. Daß er sich mit Selbstmordgedanken trage, hat er zu niemanden geäußert und deshalb waren wir alle tief bestürzt, als er am 16.9.45 freiwillig in den Tod ging. Sicherlich beigetragen haben, daß Herbert weder von seinen Eltern noch von seiner Braut Post erhielt. Eine bittere Laune des Schicksals. Ich bin überzeugt, daß Herbert keinen Selbstmord verübt hätte, hätte er Post von seinen Lieben erhalten; denn körperlich war er gesund, seelisch jedoch zermürbt. Schicksal du bist unbarmherzig. Eines der vielen Kriegsgefangenenlose. Ich kann Ihren Schmerz als Mutter nachfühlen. Möge Ihnen der Allmächtige beistehen, denselben zu überwinden.

Ihr Josef Reininger